Unterricht anders herum

Unterricht anders herum

Schüler des Christoph-Scheiner-Gymnasiums unterrichten ihre Lehrer in der „Königsdisziplin“ der Rhetorik

Ein ungleiches Moderatorenpaar, Anna, die Siebtklässlerin und Franziska, die bald ihr Abitur macht, begrüßt elf Lehrer zur schulinternen Fortbildung „Debatte im Fachunterricht“. Die Besonderheit dabei: Sie wurde von den Schülerinnen und Schülern des Wahlkurses „Debatte und Moderation“ unter der Leitung von Livia Schleßing konzipiert und durchgeführt. Sie beziehen sich dabei auf die Methoden des internationalen Wettbewerbs „Jugend debattiert“ und wie man diese im Fachunterricht einsetzt.
An der Tafel sammeln Lehrer und Schüler, was sie von der Fortbildung erwarten: „Grundregeln lernen“, „Gespräch“, „Anwendung“, „neue Methoden“, „lernen, um Wissen weiterzugeben“ und „Selbstbewusstsein“ steht da. Denn obwohl ebenso gut in Ethik über Sterbehilfe oder in Biologie über Abtreibung diskutiert werden kann, werden normalerweise nur die Deutschlehrer in diesem Fachbereich geschult, die ihr Wissen dann an die Schüler weitergeben. Bei „Jugend debattiert“ beginnt jeder der vier Debattanten die Debatte mit einer zweiminütigen Eröffnungsrede, in der man mit Einstieg, Definition, Maßnahme und den ersten Argumenten das Thema auf den Punkt bringen muss.
„Vorsicht, es herrscht akute Mitmachgefahr“, sagt Moderatorin Franziska anfangs noch mit einem Augenzwinkern. Nachdem die Theorie erklärt ist, ist es soweit: Die Lehrer sollen zu einem Thema aus ihrem Fach eine Eröffnungsrede vorbereiten und halten, die Schüler geben Rückmeldung. Auch das gehört zu „Jugend debattiert“ – die Feedback-Kultur. Als Nächstes kommt der größte Teil einer Debatte – die Freie Aussprache. Um Argumente dafür zu sammeln und ein Thema über Kategorien zu erschließen, gibt es mehrere Übungen. Eine davon ist, sich zu fragen, was ein Minister, sei es beispielsweise im Ressort Umwelt, Bildung oder Arbeit und Soziales, davon halten würde, das Scheiner in ein Lebkuchenhaus umzuwandeln. Zuckerschock, instabile Wände, Touristenattraktion, flexible Klassenzimmer… Ideen gibt es viele.

Auch für dieses Spaßthema werden in Kleingruppen aus Schülern und Lehrern erstaunlich ernst gemeinte Argumente für und gegen die geplante Maßnahme gefunden. Die Schüler zeigen zuerst eine Freie Aussprache, dann dürfen die Lehrer „ran“. Nach kurzem peinlichem Schweigen finden sich schließlich vier Mutige. Nach der Lehrerdebatte und konstruktivem Feedback treten vier Schüler auf, um den letzten Teil einer Debatte vorzuführen – die Schlussrunde. Dabei geht es darum, die vorherige Debatte zusammenzufassen und abzuschließen.
„Wie ein Luftballon, den man aufgeblasen hat und jetzt zuknotet“, ist ein sehr treffender Vergleich von Tim, der Aufbau und Funktion der Schlussrunde erklärt. Jetzt führen vier Schüler wieder eine Freie Aussprache vor und die Lehrer halten die Schlussrunde dazu. „Findest du nicht, dass die eben gehörte Aussprache etwas anders war als die vorherige?“, fragt Franziska ihre Moderationskollegin. Sie bezieht sich darauf, dass die Schüler ganz bewusst Fouls in ihren Redebeiträgen versteckt haben. „Ach Franzi“, antwortet Anna, „du bist schon so lange dabei, dass du das große Ganze aus den Augen verlierst.“ Daraus entwickelt sich ein Streit, bei dem, wie schon in der Aussprache vorhin, möglichst viele Fouls eingebaut werden. Denn auch bei Jugend debattiert gibt es das. Wie man auf Beleidigungen, absichtliches Missverstehen und Unterbrechen reagiert, üben zwei Schüler und zwei Lehrer in einer letzten Debatte. „Böse Buben“ werden als Ankündigung für ein bewusstes Foul auf das Debattenpult gelegt und mit einem „Ass im Ärmel“ geschickt und sachlich gekontert. Der Spaß kommt dabei nicht zu kurz.
Zum Schluss vergleichen die Moderatoren gemeinsam mit den Teilnehmern die Erwartungen vom Beginn des Workshops und sind sich einig: Diese praxisorientierte Fortbildung konnte überzeugen und sorgt demnächst vielleicht in dem einen oder anderen Fach für „Unterricht anders herum“.

Theresia Händeler, 10a

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