Leseempfehlung für die Ferien: Maja Lunde: „Die Geschichte des Wassers“

Leseempfehlung für die Ferien: Maja Lunde: „Die Geschichte des Wassers“

„,Es ist nur Wasser‘, brüllte meine Mutter. ,Aber es kann zu Strom werden, und zu Arbeitsplätzen. Es kann dem Dorf zu neuem Leben verhelfen.‘“

Nur Wasser. Es stimmt schon, für uns ist Wasser selbstverständlich, hat keinen Wert. Man braucht nur den Wasserhahn aufzudrehen und es sprudelt einem entgegen, in bester Qualität, für ein paar Cent pro Liter. Dabei ist Wasser unendlich wertvoll. Denn Wasser ist Leben.

Das ruft einem Maja Lundes Roman „Die Geschichte des Wassers“ unmittelbar ins Gedächtnis. Sie erzählt darin die Geschichte von Signe, die als Umweltaktivistin unter anderem für den Erhalt des Lebensraums Wasser kämpft. 2017 ist sie mit ihrem Boot unterwegs zu ihrem Ex-Freund Magnus. An Bord: mehrere Kisten Gletschereis und jede Menge Vorwürfe, ist doch ausgerechnet er dafür verantwortlich, dass dieses Eis abgebaut wurde, um als Eiswürfel in den Cocktails der Reichen zu landen – während auf der ganzen Welt die Gletscher schmelzen.

2041 bekommt David die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren: Sein Haus ist abgebrannt, jetzt sitzt er mit seiner Tochter Lou in einem Flüchtlingslager fest – den Rest der Familie haben sie auf der Flucht verloren. Es ist drückend heiß, es mangelt an allem: an Schlafplätzen, an Nahrung, vor allem aber an Wasser.

Die Situation im Lager verschlechtert sich zusehends. Vorräte werden nicht mehr aufgefrischt, Aufseher verschwinden – wenn David und Lou nicht verdursten wollen, müssen sie hier weg. Aber nur hier besteht die Hoffnung, dass die Familie wieder vereint wird.

Wie in „Die Geschichte der Bienen“, dem ersten Band des von der Autorin geplanten Klimaquartetts, sind die einzelnen Geschichten auch hier miteinander verknüpft. Auf einem Spaziergang stoßen David und Lou auf Signes Boot, das nun auf dem Trockenen steht – Wasser, in dem es schwimmen könnte, gibt es nicht. Dennoch zieht es die beiden immer wieder zum Boot zurück. Ihre endlosen Spiele, bei denen sie in ihrer Fantasie in See stechen, werden zum Lichtblick ihrer Tage. Hier können sie alles andere vergessen: Den Hunger, den Durst, die Ungewissheit – es gibt nur das Boot und seine Crew, umgeben von Unmengen an Wasser.

Eindrucksvoll schildert Maja Lunde zwei beängstigend realistische Schicksale: Den Handel mit Gletschereis gibt es wirklich, so unfassbar es scheint. Und bereits heute ist der Klimawandel eine der wichtigsten Fluchtursachen. Das bringt einen schon zum Nachdenken, macht Maja Lunde mit ihrem Buch doch einmal mehr bewusst, dass wir einfach zu sorglos leben – jedoch ohne erhobenen Zeigefinger. Wie und ob man sein Verhältnis zu Wasser ändert, bleibt jedem selbst überlassen. Keiner braucht so zu leben wie Signe – Maja Lunde ist selbst der Meinung, die Aktivistin sei zu extrem und kompromisslos. Sie hat Respekt vor ihrem Engagement, aber sie mag die Figur laut eigener Aussage nicht.

Der Roman richtet sich also nicht nur an diejenigen, die sich für Umwelt- und Klimaschutz interessieren, sondern an alle, die gerne ein gutes Buch lesen – ohne dabei belehrt zu werden.

 

Nora Stoll, Q12, aus dem Wahlkurs Schulbibliothek

(2018, 480 Seiten, ISBN: 978-3442757749, erschienen im btb Verlag, gebundene Ausgabe 20€, Taschenbuch ab Juni 2019)

Kommentare sind geschlossen.